Kommt ein Christ, wenn er stirbt, „in den Himmel“? Teil 3

Obwohl die ultimative Hoffnung des Christen für ein Leben nach dem Tod die Auferstehung und das Leben in einer erneuerten Schöpfung ist, verheißt das Neue Testament absichtlich dem Christen ein bewusstes Erleben des „Himmels“ in der Zeit zwischen dem Sterben eines gläubigen Menschen und der zukünftigen Auferstehung beim Tag der Wiederkunft von Christus.

Wie bereits im Philipperbrief gesehen, ist „bei Christus sein“ im Augenblick des Sterbens Teil der Biblischen Offenbarung, die mit dem Ziel gegeben wurde, Christen zu befähigen, in Zeiten der Verfolgung Christus zu bekennen, selbst wenn dies die Gefahr beinhaltet, das Leben dadurch zu verlieren. Der Verlust des irdischen Lebens ist demnach kein tragisches Ereignis, welches es unbedingt zu vermeiden gilt. Ganz im Gegenteil – der Tod ist für einen glaubenden Menschen nichts, was er fürchten muss, denn er gewinnt im Moment des Todes unvergleichlich mehr als er verliert. Dieser „Gewinn“ (Phil. 1, 21) besteht in einer intellektuell und emotional bewusst erlebten Gemeinschaft und Interaktion mit dem auferstandenen Christus.

Neben dem Philipperbrief beschreiben sowohl die Offenbarung als auch der zweite Korintherbrief das bewusste Erleben des Himmels vor der physischen Auferstehung. Der Fokus auch dieser beiden Texte ist (wie im Philipperbrief) der Zuspruch von Hoffnung angesichts der Gefahr das Leben aufgrund von Verfolgung zu verlieren.

Offenbarung Kapitel 6

Vielleicht ist es hilfreich anzumerken, bevor man sich dem Text von Offenbarung Kapitel sechs zuwendet, dass die Offenbarung nicht als Detailentwurf zukünftiger Ereignisse der Endzeit geschrieben wurde. Es ist Buch, welches für Christen im ersten Jahrhundert geschrieben wurde, die unter politischer und gesellschaftlicher Unterdrückung litten („Ich, Johannes, euer Bruder und Mitteilhaber in der Drangsal und (gleichzeitig) dem Reich Gottes und dem geduldigen Ausharren in Jesus, war auf der Insel, die Patmos genannt wird, um des Wortes Gottes und des Zeugnisses Jesu willen“ (Offb. 1, 9)). Die Offenbarung war für die Empfänger im ersten Jahrhundert kein mystisches, unverstandenes Buch, sondern sie verstanden (besser als wir), dass Johannes praktische, sofort im Alltag anwendbare Glaubenswahrheiten vermittelt (Glückselig, der liest und die hören die Worte der Weissagung und bewahren (also umsetzen), was in ihr geschrieben ist! (Offb. 1, 3)).

Der Leitgedanke, der sich wie ein roter Faden durch die Offenbarung zieht ist die Frage, warum es sich angesichts der gravierenden Nachteile, die ein Nachfolger Jesus in Zeiten der Verfolgung auf sich zieht, dennoch lohnt, Christ zu sein. Offenbarung Kapitel 6 ist ein Teil dieses Grundmotivs, warum es sich lohnt, Christus in Zeiten der Unterdrückung dennoch zu folgen:

Und als es das fünfte Siegel öffnete, sah ich unter dem Altar die Seelen derer, die geschlachtet worden waren um des Wortes Gottes und um des Zeugnisses willen, das sie hatten. 10 Und sie riefen mit lauter Stimme und sprachen: Bis wann, heiliger und wahrhaftiger Herrscher, richtest und rächst du nicht unser Blut an denen, die auf der Erde wohnen?  11 Und es wurde ihnen einem jeden ein weißes Gewand gegeben; und es wurde ihnen gesagt, dass sie noch eine kurze Zeit abwarten sollten, bis auch ihre Mitsklaven und ihre Brüder vollendet seien, die ebenso wie sie getötet werden sollten.

Offb. 6, 9-11

Johannes beschreibt hier Menschen, die in der Verfolgung umgekommen sind. Die Verwendung des Wortes „Seelen“ für die Märtyrer ist scheinbar offensichtlich, um anzudeuten, dass diese Menschen ihr irdisches Leben verloren haben und noch keine Auferstehung des Körpers erlebt haben. Diese „Seelen“ schlafen keineswegs bewusstlos, sondern werden mit mehreren Anzeichen intellektuell bewusst gelebter Existenz beschrieben:

A) Sie nehmen bewusst wahr, was in der Weltgeschichte passiert. Sie verarbeiten intellektuell, dass Christen für den Glauben sterben und dass Gott noch nicht rettend und rächend eingegriffen hat.

B) Sie haben und drücken einen bewussten Gerechtigkeitssinn aus.

C) Sie haben ein Zeitgefühl.

C) Sie sprechen direkt mit Gott.

D) Sie nehmen intellektuell den Charakter Gottes wahr und sprechen Gott entsprechend des von ihnen wahr genommenen Charakters an.

D) Sie erwarten eine Antwort von Gott.

E) Gott antwortet ihnen mit einer intelligenten Botschaft. Impliziert wird dabei, dass die Botschaft von den Menschen gehört und verstanden wird (es wäre absurd, anzunehmen, dass Gott Lebewesen anspricht, welche intellektuell nicht in der Lage sind, die Botschaft verstandesmäßig zu verarbeiten).

F) Die Menschen erhalten von Gott eine würdigende Ehrung, welche eine Art Umkehr ihres irdischen Erlebens ist. Ein Gewandt ist ein Kleidungsstück, welches nicht Griechisch-Römischen Arbeitsalltag getragen wurde. Es wurde bei besonderen Anlässen wie Empfängen, Feiern, Versammlungen, etc. getragen und war ein Zeichen von Rang und Würde. Weiße Kleider waren wegen der Schwierigkeit im ersten Jahrhundert Kleider „rein weiß“ zu bleichen besonders teuer und symbolisieren eine besonders hochwertige Ehrung. Die Ehrung ist in gewissem Maße eine Kompensierung für die Entwürdigung, welche die Menschen durch ihren Tod auf der Erde erfahren haben. Die Verleihung eines besonders exquisiten Kleidungsstücks vermittelt die Idee dass Gott irdischen Verlust mit „himmlischer Ehre“ aufwiegt.

Alle obigen Anzeichen affektiver und intellektuell aktiver Existenz geschehen noch bevor Christus der „heilige und wahrhaftiger Herrscher“ bei Seiner Wiederkunft „richtet und rächt“. Die Würdigung in Form eines weißen Gewandes ist der Zuspruch einer Verheißung „himmlischer Entschädigung“ für verlorenes Leben auf der Erde.

Offenbarung Kapitel 20

Auch wenn ein Hinweis auf Offenbarung Kapitel zwanzig die Gefahr birgt, dass eine ausführliche Erklärung des „tausendjährigen Reiches“ notwendig ist – dies aber den Rahmen der jetzigen Diskussion sprengt, möchte ich einige Kommentare über die Intention von Offb. 20, die für unsere jetzige Thematik relevant, sind nicht auslassen.

Und ich sah Throne, und sie setzten sich darauf, und das Gericht wurde ihnen übergeben; und ich sah die Seelen derer, die um des Zeugnisses Jesu und um des Wortes Gottes willen enthauptet worden waren, und die, welche das Tier und sein Bild nicht angebetet und das Malzeichen nicht an ihre Stirn und an ihre Hand angenommen hatten, und sie lebten und herrschten mit dem Christus tausend Jahre.  5 Die übrigen der Toten lebten nicht, bis die tausend Jahre vollendet waren. Dies ist die erste Auferstehung.  6 Glückselig und heilig, wer teilhat an der ersten Auferstehung! Über diese hat der zweite Tod keine Macht, sondern sie werden Priester Gottes und des Christus sein und mit ihm herrschen tausend Jahre.

Offb. 20, 4-6

In Offenbarung zwanzig beschreibt Johannes die Verheißung der Umkehrung des irdischen Schicksals derer, die ihm nachfolgen. Die Passage beschreibt einen direkten Kontrast zwischen „enthauptet worden sein“ (sprich: getötet worden sein) und „sie lebten“. Sie beschreibt einen weiteren direkten Kontrast zwischen „das Tier nicht anbeten“ (dabei wird impliziert, dass das Tier sie daraufhin unterdrückte und umbrachte („das Tier bewirkte, dass alle getötet wurden, die das Bild des Tieres nicht anbeteten. (Offb. 13, 15)) und „sie herrschten.“ So wie jede Zahl in der Offenbarung hat die Zahl 1000 in „sie herrschen tausend Jahre“ keine numerische, sondern eine symbolische Bedeutung. Im Kontrast zum Tier, welches die Heiligen „lediglich“ dreieinhalb Jahre (ebenso stereotypische Symbolik, hier für „eine limitierte Zeit der Verfolgung“ bedrängt (Offb. 11, 2, 3; 12, 14; 13, 5), herrschen die Heiligen tausend Jahre. Die Idee ist in apokalyptischer Symbolsprache ähnlich den direkten Worten des Paulus: „Denn das schnell vorübergehende Leichte der Drangsal bewirkt uns ein über die Maßen überreiches, ewiges Gewicht von Herrlichkeit“ (2 Kor. 4, 17). Johannes konzentriert sich in Offenbarung 20 allerdings nicht auf die ewige Kompensation irdischer Drangsal, sondern auf die bereits stattfindende zwischenzeitliche Kompensation bis zur Auferstehung. Er offenbart mit dem tausendjährigen Reich eine Art Parallelwelt zum irdischen Zeitablauf. Wer auf der Erde umgebracht wird, „lebt“ in der Parallelwelt! Wer auf der Erde beherrscht wird (in Form von Unterdrückung, die in Tod endet), herrscht in der Parallelwelt, die gleichzeitig während des Ablaufes der Geschichte existiert.

Auch hier ist der Grundgedanke von Johannes, dass Tod alles andere als ein trauriges Verhängnis ist. Wer Christus nachfolgt, lebt (in einer nicht vorstellbaren Dimension) im Augenblick, wenn er stirbt. Der direkte Kontrast ist weiterhin sichtbar zwischen direkt genanntem „zweiten Tod“ und implizierten „ersten Tod“; zwischen direkt genannter „erster Auferstehung“ und implizit genannter „zweiter Auferstehung“ (Offb. 20, 6).

Die Logik des Johannes funktioniert dabei folgendermaßen:

Wer den ersten Tod erlebt (durch Verfolgung) erlebt die erste Auferstehung (sprich das Leben und herrschen für eintausend Jahre); er erlebt aber nicht den zweiten Tod (ewige Verdammnis) bei der zweiten Auferstehung (physische Auferstehung aller Toten). Erste Auferstehung impliziert dabei, dass die zweite Auferstehung (sprich: materielle Auferstehung bei der Wiederkunft von Jesus) noch nicht statt gefunden hat. Der Sinn der Aneinanderhäufung der Kontraste ist für Johannes, dass bevor eine zweite Auferstehung statt findet (materiell; alle Menschen); es eine erste Auferstehung zum Leben in der Gegenwart von Christus gibt. Sprich im Augenblick des Todes gibt es für den Christen eine (nicht-materielle) Auferstehung zum Leben im Himmel.

Zweiter Korinther Kapitel 5

Abschließend der Beitrag des zweiten Korintherbriefes zur Thematik des Zustandes der Gläubigen zwischen der Zeit des Todes des Körpers und der körperlichen Auferstehung. Auch hier ist interessant zu erwähnen, dass der eigentliche Text von 2 Kor 5, der betrachtet wird, im Zusammenhang von Verfolgung und Tod erwähnt wird:

In allem sind wir bedrängt, aber nicht erdrückt… 9 verfolgt, aber nicht verlassen; niedergeworfen, aber nicht vernichtet;  10 allezeit das Sterben Jesu am Leib umhertragend… deshalb ermatten wir nicht, sondern wenn auch unser äußerer Mensch aufgerieben wird, so wird doch der innere Tag für Tag erneuert.  17 Denn das schnell vorübergehende Leichte der Drangsal bewirkt uns ein über die Maßen überreiches, ewiges Gewicht von Herrlichkeit…

2 Kor. 4, 8-10, 16-17

Obwohl die große Hoffnung der Gläubigen auch in 2 Korinther die physische Auferstehung ist („denn wir wissen, dass der, welcher den Herrn Jesus auferweckt hat, auch uns mit Jesus auferwecken und mit euch vor sich stellen wird“ (2 Kor. 4, 14); „wir und sehnen uns danach, mit unserer Behausung aus dem Himmel überkleidet zu werden,  3 insofern wir ja bekleidet, nicht nackt erfunden werden. 4 Denn wir freilich, die in dem Zelt sind, seufzen beschwert, weil wir nicht entkleidet, sondern überkleidet werden möchten, damit das Sterbliche verschlungen werde vom Leben…“(2 Kor. 5, 1-5)), verlangt die Logik der nächsten Verse, und zwar Verse 6-8, dass es bis zur ersehnten Auferstehung ein himmlisches Leben im Augenblick des irdischen Sterbens gibt.

So sind wir nun allezeit guten Mutes und wissen, dass wir, während anwesend im Leib, wir vom Herrn abwesend sind 7 — denn wir wandeln durch Glauben, nicht durch Schauen —;  8 wir sind aber guten Mutes und möchten lieber abwesend vom Leib und anwesend beim Herrn sein.

2 Kor. 5, 6-6

Es fällt auf, dass Paulus einen bewussten Kontrast zwischen Vers sechs und Vers acht aufzeichnet. Der Kontrast besteht in einer unterschiedlichen Form möglicher menschlicher Existenz: jetzt im Körper abwesend von der direkten Gegenwart von Christus versus dann außerhalb des Körpers anwesend in der direkten Gegenwart von Jesus! Die wichtigste Aussage ist, dass auf das Leben im Körper ein Leben in der Gegenwart von Jesus folgt.

Auf den Punkt gebracht:

Anwesend im Körper = Abwesend von Christus

Abwesend im Körper = Anwesend bei Christus.

Ein Christ ist entweder anwesend im Körper oder abwesend vom Körper – eine dritte Alternative gibt es nicht. Und ein Christ ist entweder abwesend von Christus oder anwesend bei Christus – eine dritte Alternative gibt es hier ebenfalls nicht. Entweder sind wir körperlich lebendig und gleichzeitig abwesend von Christus oder wir verlassen unseren Körper und sind gleichzeitig anwesend bei Christus. Die zwei Formen der Existenz schließen sich jeweils als gleichzeitige Option aus. Ein Christ ist immer entweder in dem einen Zustand oder in dem anderen. Eine Mischform gibt es nicht. Das bedeutet allerdings auch dass die „Abreise“ von unserer jetzigen Heimat Körper die gleichzeitige „Ankunft“ in unserer grandiosen Heimat „Gegenwart von Christus“ bedeutet.

Der Übergang von einem Existenzzustand in den nächsten scheint eindeutig unverzüglich (ohne Zwischenstadium des unbewussten Schlafzustandes) zu sein. Der Text hat eine bewusst eingebaute zeitliche Markierung „während anwesend im Leib“ (2 Kor. 5, 6). Dies impliziert dass wenn die Zeit der Anwesenheit im Körper beendet ist (und damit die gleichzeitige Abwesenheit von Christus) der zweite Existenzzustand eintritt (Abwesenheit vom Körper) und das damit explizit genannte zusammenhängende Resultat Anwesenheit bei Christus. Weiterhin scheint der Kontrast in Vers 7 „wir wandeln durch Glauben, nicht durch Sehen“ zwei (und nur zwei) konträre Existenzformen zu beschreiben (welche jeweils „An- oder Abwesenheit“ vom Körper beschreiben. Anwesend im Körper bedeutet im Glauben zu wandeln und nicht sehen; Abwesend vom Körper bedeutet nicht länger im Glauben zu wandeln, sondern zu sehen.

Paulus scheint in den Kontrast zwischen Vers sechs und acht den Vers sieben eingeschoben zu haben, um zu erklären, was er mit „abwesend vom Herrn meint“. Bevor er missverstanden wird, erklärt er, dass „abwesend“ nicht Mangel an geistiger Verbundenheit/ geistiger Abwesenheit meint, sondern „räumlicher“. Während wir im Körper sind (die Existenzform eines jeden Lesers dieses Blogs) erleben wir Christus nicht von Angesicht zu Angesicht, aber sind dennoch geistig mit ihm verbunden, weil wir hier und jetzt im Glauben und nicht im „sehen von Angesicht zu Angesicht“ leben. Der Tod bringt uns allerdings in „räumliche Nähe“ und sichtbares Sehen und Erleben von Christus.

 

Ich hoffe, Christus schenkt dir noch viele Jahre des „Lebens im Fleisch“ einhergehend mit mutigem Einstehen für die Ausbreitung des Evangeliums (Phil. 1, 22). Gleichzeitig ist eine Vorfreude auf das direkte Erleben des Himmels im Moment des Sterbens (falls es noch eine Weile dauern sollte, bis Jesus wieder kommt) mehr als angebracht.


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