Kommt ein Christ, wenn er stirbt, „in den Himmel“? Teil 2

Wenn die Frage, „kommt ein Christ, wenn er stirbt, in den Himmel?“ bedeutet „Kommt ein Christ wenn er stirbt, bis zum Tag der Wiederkunft von Jesus, bis zu seiner körperlichen Auferstehung sofort in die bewusst wahrgenommene Gegenwart von Christus?“ dann gibt das neue Testament eine klar und deutliche Antwort: Ja! Hallelujah! Amen!

Der Gedanke, dass der Christ im Augenblick des Todes nichts verliert, sondern nur gewinnt und zwar dass sein letzter Atemzug auf der Erde gleichzeitig der erste bewusst wahr genommene Moment in der ewigen Herrlichkeit und das unvorstellbare Genießen der Gegenwart von Christus ist, wird vom Wort Gottes als ein unerlässlicher bedeutsamer und notwendiger Teil des Evangeliums angesehen.

Das Neue Testament beschreibt ausdrücklich, dass ein Christ im Augenblick des Todes im klaren Bewusstsein Gottes einmalige Herrlichkeit erlebt. Wie auch immer wir diesen Zustand nennen: Paradies, Himmel, herrliche Ewigkeit – es wird der Anfang unvorstellbaren bewusst erlebten Genusses sein. Das Neue Testament beschreibt die Existenz dieses unglaublichen Ereignisses nicht, um eine Neugierde, was denn nach dem Tod kommt, zu befriedigen. Es beschreibt es hauptsächlich, um eine Vorfreude zu wecken, die dem Christen helfen soll, risikobereit für Christus und sein Evangelium einzustehen.

Eines der deutlichsten Beschreibungen, dass den Christen ein sofortiges und bewusstes großartiges Erleben des einmalig genialen Herrn im Moment des Sterbens erwartet, finden wir in Philipper Kapitel 1. Dort schreibt Paulus:

Denn das Leben ist für mich Christus [zu verkündigen] und das Sterben Gewinn. 22 Wenn aber das Leben im Fleisch mein Los ist, dann bedeutet das für mich Frucht aus dem Kampf [für das Evangelium], und dann weiß ich nicht, was ich erwählen soll. 23 Ich werde aber von beidem bedrängt: Ich habe Lust, abzuscheiden und bei Christus zu sein, denn das ist weit besser; 24 das Bleiben im Fleisch aber ist nötiger um euretwillen…

Phil. 1, 21-24

In Philipper 1 beschreibt Paulus seinen „Gemütszustand“ im Angesicht seines Gefängnisaufenthaltes in Rom. Der Ausgang der bevorstehenden Gerichtsverhandlung ist unklar und von den äußeren Indizien ist völlig ungewiss, ob Paulus zu einer Todesstrafe verurteilt wird oder als unschuldig erklärt und freigelassen wird. Auf die theoretische Frage, was Paulus sich den wünschen würde, wie das Urteil ausgehen soll, ist der Apostel hin- und her gerissen und schreibt den Philippern seine Gründe für seinen (theoretischen) Zwiespalt. „Auf der einen Seite, wenn ich umgebracht würde“ sagt Paulus, „wäre ich bei Christus“ (Phil. 1, 23) – „und das wäre für mich selbst betrachtet die weitaus bessere Option!“ „Auf der anderen Seite könnte ich – wenn ich freigelassen werden würde, sowohl selbst weiter für die Verkündigung des Evangeliums kämpfen. Und ich könnte euch, den Philippern helfen, dies ebenso zu tun. Im Angesicht, dass dies ebenso bedeutet, dass weitere Menschen zum Glauben an Christus und damit zu ewigen Leben kommen (Phil. 1, 22) bin ich – wenn ich nicht nur auf mein Eigenwohl, sondern auf das große und ganze schaue – geneigt, mir zu wünschen, dass ich freigelassen werde und mir einige zusätzliche Jahre der Arbeit als Apostel und Evangeliumsverkündiger geschenkt werden.“

Wenn der Zustand des Apostels nach dem Tod ein unbewusster Schlafzustand wäre, hätte sich der von Paulus beschriebene Zwiespalt nie ergeben. Die Wahl zwischen „Verurteilung/ Tod“ oder „Freilassung/ weiter leben und wirken“ wäre ohne große Abwägung sofort klar gewesen. Paulus hätte dann geschrieben „da ich ja mit einem unbewussten Schlafzustand eh nichts verpasse und ein paar Jahre mehr oder weniger auf der Erde null Unterschied machen, wie und wann ich die Ewigkeit erlebe, wähle ich klar das Weiterleben!“ Das hin- und her gerissen sein des Apostel kommt gerade erst dadurch zustande, dass „bei Christus sein“ ein bewusst erlebbarer Zustand ist, der sofort im Augenblick des Sterbens eintritt. Die Zerrissenheit des Apostels kommt erst dadurch zustande, dass er wählen muss zwischen „fünf Jahre weiter leben und sich infolgedessen mit der Abwesenheit der unbeschreiblichen Freude der direkten Gegenwart von Christus zufrieden geben“ oder „unvorstellbares ekstatisches Genießen der großartigen Herrlichkeit jetzt sofort“!

Würde Paulus davon träumen, bewusstlos als Toter bis zur Auferstehung zu ruhen, wäre sein niedergeschriebener Zwiespalt „ich muss wählen, ob ich euch sehen will (Phil. 1, 24) oder ob ich lieber bewusstlos tot sein will“ eine Beleidigung höchsten Ausmaßes der Philipper. „Ich bin hin- und her gerissen, entweder die nächsten Jahre bewusst- und gedankenlos zu schlafen, oder aber euch zu besuchen“ würde wohl das Argument des Paulus, dass er sich riesig danach sehnt, die Philipper zu sehen (Phil. 1, 8) alles andere als glaubwürdig machen.

Sterben ist in der Situation des Paulus nur Gewinn (Phil. 1, 21) wenn im Augenblick des Verlustes aller guten Dinge (Freunde, Essen, die Sonne genießen, aktiv für Christus leben,…) eine Kompensation an direkt erlebbarer guter „Dinge“ statt findet, die all diese irdischen guten Dinge in den Schatten stellen. Wenn die Kompensation bedeutet „fünf Jahre mehr bewusstlos schlafen“ – dann ist Sterben nie Gewinn, sondern immer Verlust von Chancen, Möglichkeiten und Freude.1 Aber gerade weil der Augenblick des Todes für den Christen gleichzeitig der Anfang des bewusst wahrgenommenen unglaublich sensationellen Abenteuers des direkten Erlebens von Jesus Christus im Himmel ist, ist Sterben Gewinn. Sterben ist Gewinn, weil keine Freude, kein Abenteuer dieser Welt vergleichbar ist mit der erlebbaren überragend außergewöhnlich Begeisterung der direkten Gemeinschaft mit dem auferstanden Christus.

Paulus verfolgt also diese Logik: abzuscheiden = sterben = Gewinn = bei weitem besser als weiter leben.

Leider fehlt der guten deutschen Grammatik der Ausdruck dafür, wie Paulus die Option „sofort bei Christus sein“ einschätzt. Das Griechische Polloo mallon kreisson bedeutet nicht nur „besser,“ oder „viel besser“ sondern „bei weitem viel besser“. Ein unbewusster Schlafzustand ist keinesfalls „bei weitem viel besser“ als die Chance weiter zu leben, die Philipper zu besuchen, etc. Nur das sofortige Erleben des Himmels lässt den Vergleich „bei weitem viel besser“ als weiter zu leben überhaupt zu. Es ist nur das Anliegen des Paulus (eines seiner Hauptanliegen, welches der Philipperbrief vermitteln will), dass der Christ in dieser Welt Privilegien und persönliche Vorteile um des Evangeliums willen aufgibt, was Paulus dazu bewegt in dem Zustand es hin- und her gerissens, doch den Wunsch zu äußern, einige Jahre weiter zu leben.

Wie schon angedeutet sind die Überlegungen des Paulus an das sofortige und bewusste Genießen des Paradieses im Moment des Sterbens nicht philosophischer Natur. In der Argumentation „Leben ist für mich Christus [zu verkündigen] und das Sterben Gewinn“ ist eine tiefere Logik eingebaut, welche den Christen hilft, Prioritäten für Christus in diesem Leben zu setzen. Die theoretische Möglichkeit, dass Paulus in Rom hingerichtet wird, hat einen ganz spezifischen Grund. Paulus könnte hingerichtet werden, nicht weil er eines Verbrechens schuldig ist, aufgrund eines Justizirrtums oder weil er gern sterben möchte. Paulus ist in Haft und muss mit der Todesstrafe rechnen einzig und allein weil er mutig und nicht nachlassend das Evangelium verkündigt hat. Seine Ketten sind „in Christus“, also aufgrund seines kühnen Einstehens für die gute Nachricht, wer Jesus ist und was er am Kreuz erreicht hat (Phil. 1, 13). Deshalb und nur deshalb ist Paulus überhaupt in Gefahr zu sterben. In der Argumentation des Philipperbriefes funktioniert Phil. 1, 21 + 23 „ Sterben ist Gewinn… Ich habe Lust, abzuscheiden und bei Christus zu sein, denn das ist weit besser…“ als direkte Ermutigung im Angesicht von Opposition die Verkündigung des Evangeliums nicht aufzugeben! Philipper 1, 21 + 23 ist eine direkte Unterstützung für die Hauptaufforderung im Philipperbrief „steht fest und kämpft in einem Geist und mit einer Seele zusammen für die Ausbreitung des Glauben des Evangeliums und lasst euch in nichts von euren Widersachern einschüchtern…“ (Phil. 1, 27-28).

Ein furchtloses Eintreten für das Evangelium ist zu manchen Zeiten und an manchen Orten der Welt extrem gefährlich. Es kann unter Umständen den Verlust des Lebens bedeuten. Paulus beschreibt „Sterben = bei Christus sein = Gewinn = bei weitem überaus besser“ als notwendige Ermutigung, dass das schlimmste, was in folge der Ausbreitung des Evangeliums für den „Evangelisten“ passieren kann, dass er umgebracht wird. Umgebracht werden ist aber Gewinn und nur Gewinn, wenn der Christ nicht bewusstlos bis zur Auferstehung ruht, sondern wenn er für den Verlust irdischen Lebens sofort mit himmlischen Leben kompensiert wird. Aufforderung für den kompromisslosen Einsatz für das Evangelium ist die zugrundeliegende Bedeutung der Lehre des sofortigen Erlebens von Gottes Gegenwart, wenn ein Christ stirbt.

Wenn verfolgte Christen nicht ständig abwägen sollen, ob es denn nicht zu gefährlich ist, für Christus einzustehen, oder ob man lieber alles daran setzen sollte, das eigene Leben zu schützen, dann muss Tod das augenblickliche Erleben des Himmels sein. Wenn „gemeinsam für die Ausbreitung des Glaubens kämpfen im Angesicht von Feinden“ (Phil. 1, 27-28) funktionieren soll, dann geht das nur, wenn das schlimmste Resultat von Evangelisation, nämlich Tod, für den Glaubenden von Nutzen ist!

Die Lehre des Neuen Testaments, dass ein Christ, wenn er stirbt, in den Himmel kommt, ist zumindest für die verfolgten Christen eine unerlässliche Hoffnung. Sie und wir können heute nur leben wie wir leben sollen, wenn wir eine Vision davon entwickeln, dass „mit Christus im Augenblick des Todes sein“ bei weitem besser, nie Verlust, sondern nur Gewinn ist!

Fortsetzung folgt…

1 Die Ausnahme hier sind extreme Krankheit oder unsagbare Schmerzen, die den Verlust der Schmerzen und der Qual wünschenswerter machen als positives Erleben irdischer Existenz. Aber es gibt null Indizien, dass letzteres auf Paulus zutraf.


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