Was in aller Welt ist ein „Scheffel“ und warum stellt man kein Licht darunter?

Beladen eines Schiffes mit Getreide. Ursprünglich aus Ostia, jetzt in den Vatikanischen Museen Rom.

Du sollst dein Licht nicht unter einen Scheffel stellen, ist ein bekanntes deutsches Sprichwort, welches beinhaltet, dass man nicht zu bescheiden sein sollte und sein Wissen, Fähigkeiten oder Persönlichkeit ruhig zeigen kann. Wie viele deutsche Sprichwörter ist auch dieses aus einem Biblischen Sprichwort abgeleitet, welches allerdings gar nichts mit falscher Bescheidenheit zu tun hat. 

Die allermeisten von uns wissen mit dem Wort „Scheffel“ nicht mehr viel anzufangen. Vielleicht erinnert man sich noch an die Oma, die davon erzählte, dass jemand Geld wie Heu gescheffelt hat, aber das Substantiv „Scheffel“ ist (abgesehen von den Texten des Neuen Testaments in der Elberfelder, Luther, Schlachter oder Einheitsübersetzung) aus unserem normalen Sprachgebrauch verschwunden. 

Deshalb finden wir in den umgangssprachlichen Übersetzungen anstelle des Scheffels ein Gefäß (NGÜ), einen Topf (Gute Nachricht), einen Eimer (Hoffnung für Alle), einen Kübel (Neue Evangelistische) und im Englischen sogar einen Korb (NKJV). 

Aber was genau ist ein Scheffel und was ist der Kern der Aussage von Jesus, dass man eine angezündete Lampe nicht unter einen Scheffel stellt?

Ostia Antica. Auf dem Weg entlang des Dekumanus Maximus in Richtung Forum mit dem Theater auf der rechten Seite.

Wären wir zufälligerweise zu antiken Zeiten in Ostia, der Hafenstadt von Rom unterwegs, könnten wir jemanden fragen. Jeder x-beliebige Römer, der sich gerade im Forum tummelt, würde uns dann erzählen, dass wir uns mal in die Nähe des Tiber begeben sollten, zu einem großen Gebäude-Komplex des Kollegiums der Mensores, die für das Abwiegen des Getreides verantwortlich waren.

Halle des Kollegiums der Mentoren mit Blick in Richtung Eingang. Ostia Antica.

Entlang der Via della Foce finden wir schnell den rechteckigen großen Saal der Getreidemesser, den wir durch einen monumentalen sieben Meter breiten Eingang betreten können. An die Halle, die unter Trajan (ca. 112 n.Chr.) gebaut wurde, wurden später noch weitere Räume und ein Tempel für das Kollegium angebaut. 

Mosaik auf dem Boden der Halle der Mensoren.

Auf dem Boden der großen Halle finden wir in der Ausgrabungsstätte von Ostia Antica ein schwarz-weißes Mosaik. Es stammt aus dem Wiederaufbau der Halle im 3. Jahrhundert. Dargestellt sind Getreidemesser (lat. mensores frumentarii) bei der Arbeit. Die erste Person von links ist leider stark beschädigt. Ebenfalls von links nähert sich ein Mann, der einen Sack mit Getreide trägt. Ein Sklave (in typischer antiker Darstellungsweise klein dargestellt) zählt die im Hafen angelieferten Getreidemengen. Mit seiner erhobenen rechten Hand und Finger deutet er wahrscheinlich die Zahl 9 an. In der anderen Hand hält dieser Assistent ein Instrument zum Zählen an welchem kleine Perlen auf eine Schnur aufgefädelt werden. 

Von rechts aus gesehen wird ein weiterer Mann dargestellt, der mit der rechten Hand eine Zahl andeutet. Links von ihm steht ein Träger, der entweder gerade einen Sack geleert hat oder einen Sack füllen soll, um ihn ins Lagerhaus zu bringen. In der Mitte haben wir den eigentlichen Mensor, also den Messmann, der mit einem Nivellierstab in der rechten Hand dafür sorgt, dass eine exakte Messung des Getreides vorgenommen wird. Zu seinen Füßen steht er, unser gesuchter Scheffel, den die Griechen modios nannten (dies ist der Begriff wie er auch im Neuen Testament vorkommt) und die Römer einfach als Lehnwort ins Lateinische übernommen haben und ihn modius nennen. 

Unser Mensor freut sich zwar, dass wir ihn in Ostia besuchen, meint jedoch auch, dass wir uns den weiten Weg hätten sparen können. Überall im Römischen Reich hätte man jahrhundertelang nur in die Hosentasche greifen müssen, um uns zu zeigen, was ein Modius ist. Konsule in der Römischen Republik und Kaiser in der Kaiserzeit prägten regelmäßig Modi auf Römische Münzen, um auf ihre Leistungen für die Getreideversorgung Roms hinzuweisen. Hier sollen nur zwei Münzen exemplarisch gezeigt werden. 

Münze des Markus Ionius Brutus mit Lucius Sestius 43/42 vor Christus. Links findet man unter dem Amtsstuhl des Tribun (lat. subsellum) den Modius.[1]
Münze Vespasians (77-78) Obverse Seite Bildnis des Vespasian und reverse Seite Modius mit 7 Getreideähren.[2]

Unser Scheffel ist also ursprünglich ein Gefäß zum Abmessen von Getreide. In den meisten Fällen wurde der Modius aus Metall wie Kupfer oder Bronze gefertigt (wie der in Carvoran am Hadrianswall gefundene Modius aus Bronze belegt). Und natürlich ist unser Modius an der oberen Kante der Öffnung besonders glatt, so dass man nachdem das Getreide im Modius zusammengerüttelt und gepresst hat (der Vorgang wird in Lukas 6, 38 beschrieben) glatt abstreichen konnte und ein exakt genormtes Getreidemaß erhielt.

Der Modius Claytonenesis, gefunden bei Carvoran, Hadrian’s Wall, 81 n.Chr. Ausgestellt im Chester Roman Fort Museum.

Der Modius eignet sich als eindrucksvolles Bild, um den extremen Kontrast darzustellen. Jesus hätte auch sagen können, kein Mensch stellt ein Lämpchen unter einen Korb (gr. kophinos) oder unter ein Tongefäß (gr. ostrakinos skeuos). Die allgemeine Aussage wäre dieselbe gewesen, aber der wuchtige, schwere und völlig lichtundurchlässige Modius macht es eindrucksvoller. 

Ein Öllämpchen zündet man gerade deshalb an, weil man Licht haben will. Unter dem Modius würde es gleich wieder zappe-duster sein. Es geht nicht darum, dass die Flamme des Öllämpchen erstickt wird,[3]sondern dass das unter den Scheffel stellen dem ursprünglichen Zweck des Lichtes diametral entgegengesetzt ist, Licht macht man, damit es leuchtet, exakt deshalb, weil man es hell haben will. Wer es dann verbirgt, widersetzt sich dem Sinn, warum er das Licht angezündet hat. Beschrieben wird also mit dem Sprichwort eine völlig sinnlose Aktion, der der eigentlichen Natur, der Absicht des Lichtes widerspricht. 

Dass kein Mensch jemals auf den irren Gedanken kommt, ein Licht unter einen Modius zu stellen, ist eine eindrucksvolle Redewendung, die aber dennoch erst einmal ziemlich allgemeingehalten ist. Der Spruch an sich sagt noch nichts über eine konkrete Situation im Leben aus.

Jesus verwendet diesen eindrucksvollen Spruch und illustriert damit in den drei Evangelien jeweils sehr unterschiedliche Aussagen.

Das Licht unter dem Scheffel bei Matthäus

Man zündet auch nicht eine Lampe an und setzt sie unter den Scheffel, sondern auf das Lampengestell, und sie leuchtet allen, die im Hause sind. (Matt. 5, 15)

Im Matthäusevangelium wird der Spruch „Man zündet auch nicht eine Lampe an und setzt sie unter den Scheffel, sondern auf das Lampengestell“ auf das Leben der Jünger bezogen. Die Nachfolger von Jesus werden von ihm als Licht der Welt (Matt. 5, 15a) und als die Stadt auf dem Berg, die nicht verborgen werden kann (Matt. 5, 15b) identifiziert. Beide Bilder – leuchtendes Licht und sichtbare Stadt – werden dann durch Redewendung „Man stellt eine Lampe nicht unter einen Scheffel“ verstärkt.

Das Bild der erhöhten Stadt auf dem Berg bezieht sich auf eine Verheißung auf Gottes Volk aus Jesaja 2, 2-3 „Und es wird geschehen am Ende der Tage, da wird der Berg des Hauses des HERRN feststehen als Haupt der Berge und erhaben sein über die Hügel; und alle Nationen werden zu ihm strömen. 3 Und viele Völker werden hingehen und sagen: Kommt, lasst uns hinaufziehen zum Berg des HERRN, zum Haus des Gottes Jakobs, dass er uns auf Grund seiner Wege belehre und wir auf seinen Pfaden gehen! Denn von Zion wird Weisung ausgehen und das Wort des HERRN von Jerusalem.“

Das Bild vom Licht für die Welt ist ebenso eine Verheißung aus Jesaja über den kommenden Messias und dessen Volk „Es ist zu wenig, dass du mein Knecht bist, um die Stämme Jakobs aufzurichten und die Bewahrten Israels zurückzubringen. So habe ich dich auch zum Licht der Nationen gemacht, dass mein Heil reiche bis an die Enden der Erde.“ (Jes. 6, 9).

Jesus wählt also nicht zwei willkürliche, frisch ausgedachte Bilder als Beschreibung für seine Jünger aus, sondern beschreibt ihre Identität als das erneuerte, wiederhergestellte Volk Gottes, welches Jesaja prophezeite, dass es im Kontrast zum alten Volk Gottes YHWH wohlgefällig sein wird und welches seiner Berufung wahr werden wird, die Nationen zu YHWH zu führen. 

Im Griechischen Satzgefüge ist „Ihr“ bei „Ihr seid das Licht der Welt“ in der sogenannten ausdrücklichen grammatikalischen Position. Im deutschen würde man dies durch Wiederholung und Ausrufungszeichen ausdrücken: Ihr, und nur ihr (!) seid das Licht der Welt. Jesus stellt damit seine Nachfolger an die Stelle der Juden, die sich selbst als Licht der Welt gesehen hatten (Römer 2, 19). Das wahre Licht der Welt ist jedoch der verheißene Messias (Jes. 42, 6; 49, 6) erfüllt in Jesus Christus (Matt. 4, 16). Dieser sammelt ein messianisches Gottesvolk um sich, der die Verheißungen Jesajas erfüllt: ein Volk, welches Gott liebt, dankbar für dessen Rettung ist und welches durch ihr Gott-hingegebenes Leben ein Zeugnis für die Welt ist, die sich dadurch zu Gott hingezogen fühlt.[4]

Das verheißene erhöhte Jerusalem und seine Rolle als Anziehungspunkt für die heidnischen Nationen, sich zu Gott zu bekehren, wird durch Jesus auf die Jünger angewendet. Israels Rolle als Licht in der Welt wird als Aufgabe an die Jünger von Christus übertragen.

Weil die Jünger von Jesus das vorher prophezeite Gott-gefällige Volk sein werden, welches die Nationen zu Gott führen wird, kann ihr „Licht“ nicht verborgen sein, sondern ihr Christus-gefälliges Leben muss für alle sichtbar sein. Die Aussage, dass die Jünger Licht für die Welt sind (Matt. 5, 14-16) folgt direkt auf die zehn Seligpreisungen in Matt. 5, 3-12. Wie die Jünger Licht für die Welt sind, wird also in den Seligpreisungen vorher erläutert: die Nachfolger von Jesus sind arm im Geist, demütig, dürstend nach Gerechtigkeit, barmherzig, reinen Herzens, friedenschaffend, geduldig Verfolgung ertragend, etc. 

Wenn als nächstes Jesus die Redewendung „niemand zündet eine Lampe an und setzt sie unter einen Scheffel“ der Licht- und Stadt-Metapher folgen lässt, geht es Jesus nicht darum, dass guter Charakter und gute Werke in der Öffentlichkeit besser sind als guter Charakter und gute Werke im Verborgenen.[5] Die Aussage ist eben nicht „stell dein Licht nicht unter den Scheffel“, sondern „kein Mensch macht so was. Niemand ist so irre, dass man eine Lampe anzündet, weil man das Licht nicht sehen will“! Niemand versteckt eine frisch angezündete Öllampe unter einem komplett lichtundurchlässigen Scheffel. Und der Vergleich ist: Gott tut dies auch nicht! Gott schafft sich nicht das verheißene, ihm wohlgefällige neue Gottesvolk und dann kann man gar nicht sehen, dass es existiert, weil es dem Gottesvolk an transformiertem Charakter mangelt!  

Was Jesus im Matthäus-Evangelium mit „eine Lampe setzt man nicht unter den Scheffel“ kommuniziert, ist dass man an transformiertem Charakter (der von Gott dem Vater gewirkt ist) und an guten Werken (die in Gott dem Vater ihren Ursprung haben) sieht, dass die Jünger das neue Volk Gottes sind, die mit Gott versöhnt sind und mit ihm leben. Transformierter Charakter und gute Taten sind Anzeichen für echte Nachfolge. Ein Namenschrist ohne von Gott gewirkte gute Werke ist so sinnlos wie eine angezündete Öllampe unter einen Bronzekessel zu stellen. 

Jesus beschreibt in der abschließenden Aufforderung „Lasst euer Licht leuchten vor den Menschen, damit sie eure guten Werke sehen und euren Vater, der in den Himmeln ist, verherrlichen“ eine interessante Dynamik zwischen menschlicher Verantwortung und der Abhängigkeit von Gottes wirkender Gnade. Der Christ wird aufgefordert, gute Werke zu tun, er muss in Aktion treten. Aber der Christ bekommt dafür nicht den Lobpreis. Der Vers geht nicht „so dass sie eure guten Werke tun und euch dafür preisen“. Gott der Vater wird für veränderten Charakter und gute Werke gepriesen, weil trotz menschlicher Verantwortung es ultimativ seine Gnade ist, welche den guten Charakter und gute Werke bewirkt hat. Es ist sein Wirken, dass er uns in Christus zu seinem neuen Gottesvolk gemacht hat, welches die guten Werke überhaupt erst möglich macht. 

Das Licht unter dem Scheffel bei Markus

Und er sprach zu ihnen: Kommt etwa die Lampe, damit sie unter den Scheffel oder unter das Bett gestellt wird? Nicht damit sie auf das Lampengestell gestellt wird? (Markus 4, 21)

Im Markus-Evangelium benutzt Jesus wieder die Bildersprache der Öllampe, die unter einem Scheffel gestellt wird. Die Botschaft, die dadurch illustriert wird, ist jedoch ein völlig andere. Zum einen fällt natürlich sofort auf, dass der Zusammenhang, in dem Jesus die versteckte Lampe unter dem Scheffel erwähnt ein ganz anderer ist, als bei Matthäus. Voraus gehen keine Anweisungen für einen veränderten Charakter wie im Matthäus-Evangelium mit den Seligpreisungen. Hier im Markus-Evangelium steht das Bild der Lampe unter dem Scheffel als ein relativ unabhängiges Gleichnis unter einer Reihe anderer Gleichnisse. Es ist eingebettet zwischen dem Gleichnis des Sämannes (Mar. 4, 1-20) und zwei weiteren Samen-Gleichnissen – dem Gleichnis des Samens, der nachts aufsprießt (Mar. 4, 26-29) und dem kleinen Samen, der zu einem großen Busch heranwächst (Mar. 4, 30-32). 

Wenn man das ganze Kapitel Markus 4 liest, fällt einem auf, dass das Gleichnis der Lampe unter dem Scheffel eine Antwort von Jesus auf die Frage der Jünger über das Gleichnis des Sämannes ist (Mar. 4, 10-12). Die Jünger kommen im privaten zu Jesus und fragen nach der Bedeutung des Gleichnisses des Sämannes. Bevor Jesus das Gleichnis des Sämannes erklärt, stellt er eine kurze Lehre voran, warum er überhaupt in Gleichnissen mit dem Volk redet: 

„Und er sprach zu ihnen: Euch ist das Geheimnis des Reiches Gottes gegeben, jenen aber, die draußen sind, wird alles in Gleichnissen zuteil, 12 »damit sie sehend sehen und nicht wahrnehmen und hörend hören und nicht verstehen, damit sie sich nicht etwa bekehren und ihnen vergeben werde.«“

Das Gleichnis der Lampe unter dem Scheffel in Markus 4, 21-23 ist eine Illustration der Lehre, warum Jesus in Gleichnissen spricht und warum manche Leute zwar Jesus und seine Wunder sehen, aber ihn nicht als Sohn Gottes erkennen. Dies wird unter anderem dadurch deutlich, dass die beiden Stellen Markus 4, 10-11 und Markus 4, 21-23 mit Doppelung des Wortes „hören“ verbunden sind. „Damit sie und hörend hören und nicht verstehen“ in Mar. 4, 11 verknüpft die Lehre in diesen Versen mit dem Gleichnis der Lampe unter dem Scheffel, welches endet mit „Wenn jemand Ohren hat zu hören, der höre!“

Um den Sinn des Sprichwortes der Lampe unter dem Scheffel in seinem neuen Kontext zu verstehen, hilft es zu entdecken, dass Jesus den Spruch im Vergleich seines Gebrauches bei der Bergpredigt in Matt. 5 leicht abgeändert hat. In Matthäus 5 wird die Lampe angezündet (gr. kaioo) und unter den Scheffel gesetzt (gr. titheemi). In Markus 4 „kommt“ die Lampe (gr. erchetai). Dies ist nicht nur ungewöhnlich, weil Jesus hier ein anderes Verb als in Matthäus 5 verwendet, sondern auch noch, weil es so ein ungewöhnliches Verb ist. Der Leser hätte der Veränderung wahrscheinlich nur stilistische Gründe zugeordnet, wenn Markus geschrieben hätte „die Lampe wird gebracht“ (gr. pheroo), aber wir haben hier das ungewöhnliche Wort „die Lampe kommt“ (gr. erchetai). Obwohl das griechische Wort erchetai auch im Sinne von „gebracht werden“ verwendet werden kann (BAGD), scheint Jesus die Lampe zu personifizieren. Sie kommt selbst, als wenn sie Beine hätte und damit laufen kann. Jesus verwendet mit dem Wort einen literarischen Kunstgriff. Ganz oft im Markus-Evangelium wird das Kommen von Jesus bzw. seines Reiches mit ihm als „kommend“ beschrieben (Markus 1,7, 14, 24, 29, 39; 2,17; 3,20; 8,38; 10,45; 13,26 35-36; 14,62). Wenn nun die Lampe „kommt“, erinnert sich der Leser sofort an dieses oft genutzte Wort im Markus Evangelium und denkt beim Kommen an das Kommen von Jesus. Und genau dies ist der Punkt, den Jesus machen will. Die Lampe steht diesmal symbolisch für ihn selbst. Er ist die Lampe die kommt und die – gemäß der innewohnenden Aussage der Bildersprache – nicht verborgen ist, sondern leuchtet. Sein Kommen ist wie eine Lampe, die auf ein Lampengestell gestellt wird: vollste Illumination ist das Resultat. 

Das Sprichwort der Lampe unter dem Scheffel ist eine Antwort darauf, wie es sein kann, dass manche „sehend sehen und nicht wahrnehmen.“ Die große Frage, die sich durch das ganze Markusevangelium als der rote Faden durchzieht ist die Frage „Wer ist dieser Jesus?“ Jedes neue Wunder, jede neue Aussage von Jesus schreit eigentlich danach, dass es offensichtlich ist, dass er der Sohn Gottes ist, aber trotzdem erkennen die meisten derjenigen, die Jesus erleben, seine eigentliche erhöhte Natur als Sohn Gottes nicht. Warum nicht? Unser Sprichwort „Lampe kommt nicht unter den Scheffel“ wird Jesus als Erklärung verwendet: An der Lampe liegt es nicht! Es liegt nicht daran, dass sie nicht leuchtet. Denn so wie kein Mensch eine Lampe anzündet und dann gleich unsichtbar versteckt, ist Jesus nicht gekommen, um seine Identität zu verstecken, sondern um sie hell leuchten zu lassen.[6]

Wenn Menschen nicht erkennen, wer Jesus ist, liegt es nicht an ihm. Es ist nicht so, dass Jesus sich kaum zu erkennen gibt. Wer er ist, ist nicht verborgen. Er leuchtet wie eine in der Mitte des Raumes aufgestellte Lampe. Man kommt gar nicht daran vorbei, von der Deutlichkeit seines Wesens geblendet zu sein. Der Fehler liegt nicht bei der Lampe – denn eine Lampe wird ja nicht versteckt – der Grund, warum Menschen trotz der offensichtlichen Erkennbarkeit in ihm nicht den erhöhten Sohn Gottes sehen, liegt am Sehenden. Gemäß des Zitates aus Jesaja 6, 9-10 in Mar. 4, 12 an der Verdorbenheit des Menschen gepaart mit souveräner Absicht, Erleuchtung verborgen zu halten und denen zu geben, die souverän von Ihm auserwählt sind, die Gnade des Sehens, wer Jesus ist., zu empfangen.

Das Licht unter dem Scheffel im Lukasevangelium

Niemand aber, der eine Leuchte angezündet hat, stellt sie ins Versteck, noch unter den Scheffel, sondern auf das Lampengestell, damit die Hereinkommenden den Schein sehen (Lukas 11, 33).

Im Lukasevangelium folgt das Sprichwort des Lichtes unter dem Scheffel der Anschuldigung von Jesus, dass seine Generation eine böse Generation ist, da sie trotz vieler Wunder ein Zeichen suchen. Es wird ihnen jedoch kein Zeichen gegeben, außer das „Zeichen des Jonah“, also die Auferstehung des Sohnes Gottes am dritten Tag nach der Kreuzigung (Lukas 11, 29-30). Danach kommen zwei weitere Verse der Gerichtsankündigung, die beinhalten, dass Ausländer (die Königin des Südens zur Zeit Salomos und das Volk Ninivehs zu Zeiten Jonahs) die Generation der Zuhörer von Jesus im letzten Gericht verurteilen wird (Lukas 11, 31-32). 

Wenn Jesus im Anschluss daran die Redewendung von der Lampe unter dem Scheffel erzählt, ist diese nicht losgelöst von der vorherigen Begebenheit. Das Problem sind immer noch die Massen an jüdischen Zuhörern, die ein Zeichen wollen, obwohl schon längst klar sein müsste, wer Jesus ist. Genau dies ist auch der Punkt von der Lampe, die eben nicht unter den Scheffel gestellt wird. Das Licht der Lampe steht für die Offenbarung Gottes, wer sein Sohn ist. Und so wie kein Mensch jemals auf den Gedanken käme, die frisch angezündete Lampe unter einen bronzenen Modius zu stellen, so hat Gott die Offenbarung, wer Jesus ist, nicht verborgen. Seine Person, sein Wirken, seine Reden haben klar und deutlich offenbart – wie eine Lampe auf einem Ständer – wer er als Sohn Gottes ist. 

Wenn jemand Christus nicht als den von Gott gesandten Retter anerkennt, sondern weiter Zeichen von ihm fordert, in denen er sich beweisen soll, liegt das nicht daran, dass es nicht genügend Offenbarung gegeben hat, wer Jesus ist, sondern dass das Auge krank ist. Lukas benutzt hier ein Wortspiel mit den Worten haplous (gesund) und poneeros (krank), die einerseits die medizinischen Zustände eines Auges beschreiben können, als ein Auge, welches super sieht und eines, welches krank ist und deshalb (wie bei geschlossenen Augen) alles zappe-duster ist. Poneeros (krank) ist jedoch auch das Wort, welches Lukas für „böse“ verwendet und es ist dasselbe Wort, welches seine Generation in Lukas 11, 29 als „böse“ beschreibt. Mit der Benutzung dieses Wortes stellt Lukas auch die Verbindung zwischen der „bösen Generation, die ihn ablehnt und Zeichen fordert“ her und dem Sprichwort des „bösen“ (= kranken) Auges. Mit dem Auge nimmt der Mensch wahr. Das Licht der Offenbarung, wer Jesus Christus ist, ist von Gott nicht versteckt worden, sondern ob man erkennt, wer Jesus ist, hängt von der Einstellung ab, sehen zu wollen.

Das gesunde Auge (haplous bedeutet hier doppelsinnig auch „einzeln“ im Sinne von geradlinig, ehrlich, aufrichtig, integer ohne doppeldeutige Motive (im Kontrast dazu würde Karl May von der gespaltenen Zunge schreiben)). Wer aufrichtig auf Jesus sieht, dann wird dessen Körper – der hier für die innere Persönlichkeit steht – wird voller Licht sein. Das kranke, also das böse Auge, lässt die Offenbarung, wer Jesus ist, nicht in die innere Persönlichkeit und dieser Mensch bleibt voller Dunkelheit. Licht und Dunkelheit sind in den Versen 34 bis 36 Beschreibungen des Bereiches von Satan, des Todes und der Verdammnis. Die Bildsprache verwendet Paulus ebenso illustrativ in Apostelgeschichte 26, 18 „ihre Augen aufzutun, dass sie sich bekehren von der Finsternis zum Licht und von der Macht des Satans zu Gott, damit sie Vergebung der Sünden empfangen und ein Erbe unter denen, die durch den Glauben an mich geheiligt sind.“ Das gesunde Auge, welches die Offenbarung von Jesus empfängt lässt Licht so ins Innere des Menschen, dass dieser Mensch leuchtet wie „die Gerechten werden leuchten wie die Sonne im Reiche ihres Vaters“ (Matt. 13, 43).

Dass Gott das Licht nicht unter einen Scheffel stellt, ist also im Lukas-Evangelium eine Aussage darüber, dass Gott genügend Offenbarung geschenkt hat, wer Jesus ist. Die Frage ist nicht, ob Jesus sich genügend deutlich gezeigt hat, sondern ob jemand überhaupt sehen will, wer er ist.


[1] Reiner Albert, Die Münzen der Römischen Republik, 191 (Kat. Nr. 1525). Bild von https://www.dorotheum.com/de/l/7386628.

[2] Ursula Kampmann, Die Münzen der römischen Kaiserzeit, 80 (Kat. Nr. 20.46). Bild von https://www.vcoins.com/en/stores/victors_imperial_coins/208/product/vespasian_modius_with_grain_from_rome/2103192/Default.aspx.

[3] Contra Joachim Jeremias,. „Die Lampe unter dem Scheffel.“ Zeitschrift für die Neutestamentliche Wissenschaft und die Kunde der Älteren Kirche, vol. 39, no. Jahresband, 1940, pp. 237-240).

[4] D. A. Carson, „Matthew“ in The Expository Bible Commentary, 139; cf. David Garland, Reading Matthew, 60 „Das nachdrückliche „Ihr seid das Licht“ impliziert, dass die Jünger sich gegen jemand oder etwas anderes wenden, von dem andere annehmen würden, dass es das Licht sei.“) 

[5] Contra Craig Blomberg, „Matthew“ in the New American Commentary, 102.

[6] David Garland, A Theology of Mark’s Gospel, 121. 

 

 


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